Monatsarchiv: Mai 2021

Autokauf in China (Retro Beitrag)

Solange die Menschheit noch schwarze Pampe aus der Erde pumpt, solange wird der Erdling sich noch mit Hilfe des Autos fortbewegen. Dabei ist es ihm egal, ob er in einer Stadt wohnt in der er aufgrund des Verkehrsaufkommen eher parkt als fährt oder halt auf dem platten Land dahin vegetiert und jeden Morgen 100km zur Arbeit fahren muss.

Unsereiner gehört zur ersten Spezies. In Shanghai braucht man nicht wirklich ein Auto, es sei denn man verdient sein Brot in einem der Vororte die gerne mal 50 km entfernt sind. Das öffentliche Verkehrssystem umfasst alle erdenkbaren Formen von Metro bis hin zum Transrapid. Was veranlasst einen also dazu ein Auto zu kaufen? Einfach: Lebensqualität oder wenn man so will Unabhängigkeit.

Wie so vieles läuft die Prozedur hier etwas anders ab als in Deutschland, daher Schritt für Schritt:

Akt I – die Auswahl
Im Prinzip unterscheidet man hier zwischen 3 Sorten Autos:

1. Lokale Marke
Geely Co. und Konsorten haben alle viele Gemeinsamkeiten. Zunächst einmal sind sie sehr günstig. Für 15,000 Euro bekommt man einen SUV von 2 Tonnen und 200 PS. Nachteil ist halt, dass die Bimmel nach einem Jahr aussieht als ob man bereits 5 Jahre durch die Wüste Gobi jagt oder versuchte mit dem Teil als Leitfahrzeug Taiwan in einem Angriffskrieg zu besetzen. In puncto Verarbeitung gibt es also diverse Ansatzpunkte. Toll ist bspw. nicht, wenn die Parksensoren nach 100km aus ihrer Verankerung fallen, Schweißnähte am Rahmen brechen oder sich das Lenkrad auf dem Highway bei ca. 120 km/h löst (alles geschehen!). Prinzipiell sollten Sicherheitsfanatiker einen Bogen um chinesische Autos machen, denn viele sehen nach einen 50km/h Aufprall aus wie ein ausgekautes Kaugummi.

2. Import
Wer etwas auf sich hält, importiert seinen Wagen und bezahlt so ca. 30% mehr als im Ursprungsland +
le (Protektions-) Importsteuer. Da wir nichts auf uns halten, überspringe ich diesen Teil und leite weiter in die Autosektion des Lumpenproletariats.

3. Ausländische Marke lokaler Herstellung

Durchschnitt ist etwas tolles, daher trieb es uns zu einer bekannten westlichen Marke die sich auf Lord reimt. Warum ausgerechnet zu dieser, ist mir im Nachhinein irgendwie gar nicht bewusst. Ich glaube ich wurde Opfer eines perfiden Psychospiels meine werten Gattin, die mich irgendwie durch unterschwellige Botschaften dazu verleitete das Auto „Ihrer“ Wahl zu erwerben.
Wie auch immer, der Vorteil hier ist, dass das Fahrzeugmodell i.d.R. etwas günstiger zu haben ist als in Deutschland, die Verarbeitung aber auch nicht ganz so gut scheint. Was den Service angeht, später mehr (leider). Man findet bei den üblichen Marken die in China produzieren alle gängigen Modelle mit leichten Marktjustierungen. Zum Beispiel sind sämtliche Limousinen in „Large“ erhältlich (was ja Sinn macht, sind Chinesen ja allesamt Hünen von eher kräftiger Statur…), zu erkennen am großen L hinter der Modellvariante.

Der ursprüngliche Plan war ein Focus. Zeitgleich wurde aber mit dem neuen Modell auf der Fiesta hier eingeführt und der hatte überraschenderweise nichts mehr mit der Rotzbimmel aus den 90‘ zu tun. Der Händler unserer Wahl hatte da die „S“ Version stehen, was wohl Sport bedeuten soll. Optisch etwas abgehoben fand ich das eigentlich ganz nett, genau wie meine Frau (also das Auto?!). Aaaaaber, wer jetzt glaubt gesagt-getan-gekauft der irrt. Meine liebe Gattin hat ja einen Igel in der Tasche gegen den jeder Schwabe wie ein Prunksüchtiger aussieht, daher ging jetzt erst einmal der Vergleich mit gefühlten 20 Ford Händlern, Internetshops und fragwürdigen Zwischenmännern los.

Akt II – die Entscheidung
Das Schöne an China ist ja, dass man mit Personal nicht kleckert. Man gab uns seitens Ford einen Sales der so um die 27 Jahre alt war und natürlich nur rudimentäres Englisch mitbrachte, Dies bedeutete für mich, komplett auf meine Frau angewiesen zu sein wenn es um Übersetzung ging. Wir trafen uns also an einem schönen und heißen Sonntagnachmittag, über den ich hier gerne chronologisch Zeugnis ablegen möchte:

12:11 p.m.
Ankunft im Autohaus. Es riecht nach grünem Tee, geschätzte 4,000 Chinesen bevölkern den Schauraum und stecken ihre Nasen unter Kühlerhauben. Dabei wir bedächtig genickt, fachmännisch „Aha“ gesagt und so getan als ob man versteht warum der Motor vorne ist und nicht im Kofferraum. Beim Autokauf muss man auch in China die wichtigsten Details des Vehikels testen: die Hupe. Infernalischer Lärm der nur noch getopt wird wenn irgendein Horst versucht den Nascar Schauwagen zu öffnen und die Alarmanlage losgeht. Das Schild am Wagen „Bitte nicht berühren“ hat seine Existenz verwirkt.

12:15 p.m.
Ein Rudel Sales bemerkt die Ankunft eines Laowais (Ausländer). Die Reaktionen gehen auseinander in „Kommission!“ und „Oh Gott, mit dem will ich nicht reden!“. Ein zaghafter junger Recke geht zu meiner Angetrauten und fragt wie man uns helfen könne. Das Drama beginnt…

12:26 p.m.
Man zeigt uns diverse Auto: Mondeo – Smax – Focus – Fiesta und irgendeinen Geländewagen der mich an die FBI Vehikel aus Filmen erinnert. Just in diesem Moment zündet sich ein Landsmann im neuen Wagen eine Zigarette an…das Getöse ist groß.

1:05 p.m.
Die Entscheidung muss zwischen Focus und Fiesta gefällt werden. Lt. Sales spricht alles für den Focus, der ist nämlich hübscher?! Ich wage mich in neue Dimensionen vor und bringe verschiedene Fragen wie Airbag, Verbrauch, Extras und pipapo an. Tja, da muss er erst einmal einen Kollegen fragen.

2:23 p.m.
Ein shanghainesische Paar kann sich offensichtlich nicht über die Auswahl des Fahrzeugs einigen, es kommt zu Ausschreitungen. Beide Familien sind mit dabei und erfassen Partei für die Dame. Der Ehemann entrinnt nur knapp einem blutigen Hämatom durch die vor ihm zugeschlagene Beifahrertür. Diese Familie wird keinen Sonntagsspaziergang unternehmen.

2:50 p.m.
Der Sales kommt zurück mit einem Antwortenkatalog. Der Fiesta als Sonderedition umfasst alle Extras wie AC, Dachreeling, Lichtgedöns, Dachfenster und und und… Gut. Aaaaaber, den ganz Kram kann man später erst dran bauen, weil das Fahrzeug zur Zulassung im Originalzustand sein muss. Semi-prickelnd aber akzeptabel..

3:12 p.m.
Es kommt was kommen muss, Preisverhandlungen. Ich möchte ein englisches GPS, meine Frau agiert. Hier läuft sie zur Hochform auf. Bereits in der Bibel wird von einem Wesen berichtet, dass im Angesicht der Preisverhandlung vor keinem Schrecken zurückweichen wird um ihr Recht zu bekommen. Welten tun sich auf um gleich wieder verschlungen zu werden. Wer einmal Zeuge dieses beeindruckenden Spiels der Naturgewalten wurde, weicht verzückt und zutiefst beeindruckt zurück um ihr den Tribut zu zollen.

5:10 p.m.
Ja, ich habe mich nicht in der Zeit verschrieben. Wir bekommen ein englisches GPS, DVD Player (?), Einparkkamera (braucht man ja bei den raumgreifenden Ausmaßen eine Fiestas), Kindersitz und Scheibenfolien gratis dazu. Der Sales liegt verkrümmt in Embrionalstellung unter dem Tisch und fleht nach Erbarmen. Auch der Chef ist zwischenzeitlich dazu gestoßen, doch in panischer Ohnmacht nutzlos von Dannen gezogen.

5:29 p.m.
Eine Anzahlung muss getätigt, erneutes Verhandlungspotenzial….

5:55 p.m.
Der Schauraum hat sich geleert. Andere Familien sitzen jetzt friedvoll beisammen und genießen das allsonntagliche Zusammensein bevor der Alltag sie wieder von neuem einholt. Nicht so unsere kleine Familie. Wir sitzen noch immer mit dem leicht zittrigen Sales im Ford Autohaus wo auf ein Neues verhandelt wird. Irgendein kleiner Anlass war Grund für die erneute Verhandlung. Ich befürchte wir haben den jungen Mann an diesem Tag in den Alkohol getrieben.

6:21 p.m.
Alles wurde gesagt. Der Sales darf nach Hause und ich bin erlöst. Fürs‘ erste…

Akt III – die Umsetzung

4 Wochen sind vergangen zwischen dem schicksalhaften Tag der Anzahlung und diesem Moment der Realisierung. Da ein Shanghai Kennzeichen im Moment umgerechnet 7,000 Euro kostet, haben wir uns für eine günstigere Alternative aus Hangzhou entschieden, welche lediglich mit 300 Euro zu Buche schlägt. Ja, hier geht sowas. Aus diesem Grund werden wir mit einem temporärem Kennzeichen ausgestattet.
Ich treffe mich als mit meiner Herzensdame am Autohaus um das gute Stück entgegen zu nehmen. Doch was ist das? Als ich eintreffe, hat der gleiche Sales schon wieder einen leeren Blick und ist den Tränen nahe. Folgende Probleme…
a. Es hat sich herausgestellt, dass es keine englische GPS in China gibt. Hat man also ein chinesische eingebaut und sich gedacht, passt schon…
b. Das wirkliche Kennzeichen kann noch nicht ausgestellt werden, da es sich um eine Sonderlackierung handelt. Diese kennt die Zulassungsstelle nicht und muss deshalb erst „googeln“ um herauszufinden ob es sich wirklich gesagtes Modell handelt.
c. Kindersitz ist noch nicht eingetroffen.
d. Dachreeling kann noch nicht angebracht werden, da die Endabnahme noch nicht stattfand. Im Nachhinein wird sich herausstellen, dass diese Reeling lediglich als Dekoration angebracht wird und nicht zum Transport von bspw. Fahrrädern geeignet ist.
e. Man hat die Folie vergessen und sie gerade ruck-zuck angebracht. Bitte das Fenster für eine Woche nicht öffnen!
f. Die angefragte Blue Tooth Absetzung für Mobiltelefone wurde nicht durchgeführt.
Was soll ich sagen. Meine Dame war wirklich in Rage und auch bei mir hatte der Sales seinen Ehefrauen-Opferbonus verspielt. Was folgte waren Nachverhandlungen wie aus dem Necronomicon, die allerdings wirklich zu unseren Gunsten ausfielen. Das GPS konnte ich bspw. einwandfrei nutzen, lediglich die Adresseingabe kann ich nicht ausführen, da diese in chinesischen Schriftzeichen über Touchscreen funktioniert. Umgerechnet es uns damit 120 Euro anstatt 350 Euro gekostet.

Akt IV – das Fazit

Alles in allem haben wir einen großen Fehler begangen. Wir haben keinen Standard genommen, sondern ein spezielles Modell mit obendrein Sonderwünschen. Sowas klappt hier einfach nicht. Die ganze Prozedur hat sich fast 2 Monate hingezogen bis wir alles so hatten wie gewünscht und mal wieder aufgezeigt, wo wir eigentlich sind. Für die Firma Ford wirft dies an sehr schlechtes Bild in China ab. After-Sales ist ein absolutes Desaster, denn es scheint, dass der Kunde sobald er das Auto hat nur noch Belastung ist. Uns graut bereits vor der ersten Kundendienstinanspruchnahme.